PR-ler und Blogger
Seit gut einem Jahr ist das Thema PR im Web 2.0 DER Hypebegriff. Naja, und wie bei jedem Hype bleiben die tatsächlichen Möglichkeiten, die die ach so tolle PR 2.0 bieten soll irgendwie verschwommen. PR im Web ist DAS Ding. Nur wies denn gehen soll, das sagt keiner. Entweder die Agenturen und PR Abteilungen hüten ihre Weisheiten, wie die Augäpfel, oder aber sie sind allesamt konzeptlos. Wie groß der Wissensdurst ist, zeigen Infoveranstaltungen rund um PR und Web 2.0. Die sind überaus gut besucht.
Viel neues gibt es dort aber nicht zu hören. Die Prozeduren jedenfalls sind nicht eingeschliffen. Von einem Maßnahmenpaket, wie sie die klassische PR entwickelt hat, kann keine Rede sein. Nicht einmal der Weg der Kontaktaufnahme und das grundsätzliche Verhalten gegenüber Bloggern ist erprobt geschweige denn standardisiert.
Die Blogger andererseits haben sich da schon ein bisschen gedanken gemacht. Robert Basic hat beispielsweise schon eine Liste an Verhaltenstipps für Blogger erstellt, wenn diese von PR-lern angesprochen werden. Das finde ich nur recht und billig. Ich werd hier einfach mal den Spieß umdrehen und eine Checkliste für PR-ler die Blogger ansprechen wollen, publizieren.
Die Liste basiert zum größten Teil aus eigenen Erfahrungen, Trainings und Vorträgen, privaten Gesprächen mit befreundeten Bloggern sowie Webrecherche und dem Buch Naked Conversations. Genauere Quellenangaben sind nicht drin 🙂
- Blogger sind oft nicht journalistisch sozialisiert. Sie müssen sich nicht zwingend an NDAs, Off-Records oder ähnliche Vereinbarungen halten. Sage also einem Blogger nie etwas, was du nicht auch in eine Presseaussendung schreiben würdest.
- Blogger schreiben nicht zwingend Newswert-getrieben. Das bedeutet, dass alles, was Du Ihnen zukommenlässt, als Grund für ein Posting herhalten kann. Auch die Mail, mit der Du versucht hast Kontakt aufzunehmen. (siehe dazu auch 1.)
- Nur weil es sich um einen „hippen“ Blogger handelt und Du selber auch ein hipper Typ bist, heißt das noch lange nicht, dass Du die ganze Welt auch Dutzen musst. Wer fremde Menschen anspricht, macht das in unserer Gesellschaft mit einem höflichen Sie. Das gilt auch für die Ansprache von Bloggern. Wenn der Blogger auf das Du schwenkt, kannst Du mitschwenken. Das war dann seine Entscheidung. PR-erfahrene Blogger nutzen das Du, um Vertrautheit zu schaffen; oft in der Hoffnung, auf Grund der Vertrautheit mehr Informationen zu erhalten. (siehe dazu auch 1.)
- Mach sofort klar, wer Du bist, wo du arbeitest und für wen. Einige Blogger sind PR gegenüber sehr mistrauisch und der Ruf der Branche hat in der Vergangenheit durch kleinere Skandälchen gelitten. Jeder Versuch durch die Hintertüre zu kommunizieren ist früher oder später zum Scheitern verurteilt.
- Blogger sind in der Regel äußerst sensibel, wenn es um ihre persönliche und schreiberische Freiheit und Unabhängigkeit geht. Unternimm nichts, was den Blogger in eine Richtung stoßen könnte. Gib ihm die Informationen und mach ihm klar, dass er damit anfangen kann was er will. Dazu gehört auch, dass er Deine Informationen wegzuschmeißen kann. Stell es dem Blogger frei einen Beitrag öffentlich als PR-initiiert zu deklarieren. Das macht den Blogger und auch Deine Arbeit glaubwürdiger.
- Belästige Blogger nicht mit Pressetexten. Die sind für die Presse. Viele Blogger wollen ungefiltertes Zahlenmaterial und Hintergrundinformationen. Man sollte sie im Rahmen des Möglichen zur Verfügung stellen. Ansonsten kannst Du den Blogger auch einfach fragen, ob er Presseinformationen (regelmäßig) haben möchte. Das räumt Mißverständnisse aus.
- Schreibe niemals Massenmails an Blogger die du nicht kennst. Kommt ganz ganz mieß und wird oft als SPAM gewertet.
- Telefonieren ist besser als Mailen. Im persönlichen Kontakt lassen sich Anliegen viel transparenter und glaubwürdiger vertreten. Außerdem landet so Deine Mail garantiert nicht als Screenshot auf dem Blog.
- Lese den Blog den Du pitchen willst. Und zwar ausführlich. Blogger fragen oft, warum Du gerade sie ansprichst. Außerdem vermeidest Du so, dass Du Blogger ansprichst, die mit Deiner Story soviel zu tun haben, wie die Gala mit Katalysatortechnik.
- Sei sehr sehr vorsichtig. Schlechte Publicity ist nicht mehr aus dem Netz zu bekommen. Die Zeitung, in der Dich ein verärgerter Journalist (zu unrecht oder nicht) fertig macht, ist morgen bereits Altpapier. Blogeintträge halten sich sehr sehr lange. Hinzu kommt, dass Skandale in Wellen durch die Blogoshpäre jagen und durch die Verlinkungen bei Google etc. hoch gerankt werden. Ein falscher Schritt erscheint also immer ganz weit oben, während die kleinen „guten“ Stories im digitalen Nirvana verschwinden.
- Denk nach! Wenn Du ein „schlechtes“ Posting abgreifst, dann lass Dir mit einem Kommentar Zeit. Nichts ist übler, als ein Kommentar, den du mit Wut im Bauch geschrieben hast. Auch der lässt sich nicht rückgängig machen. Nicht zu kommentieren ist aber auch nicht gut. Das wird dann von den Lesern oft als Totschweigen gewertet. Mach Dich in Deinen Comments immer mit deiner Funktion kenntlich.
- Bemühe Dich um Distanz. Du musst nicht der Freund des Bloggers sein. Das nimmt man Dir eh nicht ab. Wenn Dich der Blogger fragt, was Du mit dem Pitch bezwecken willst, sei ehrlich. Du willst Coverage und/oder Beziehungspflege/Bezeihenungsaufbau. Alles andere wird als Lüge demaskiert werden.
- Sei nicht enttäuscht, wenn ein Blogger überkritisch über Dein Anliegen schreibt. Nach der ganzen Blog/PR-Diskussion sehen sich viele Blogger gezwungen päpstlicher als der Papst zu sein. Das muss man verstehen.
- Es gibt Blogger, die man einfach nicht pitchen sollte 🙂
Flo
P.S. Dies ist ein kommentierendes Posting – Lese dazu bitten den Disclaimer
Update: Robert hat sich auch ein paar Gedanken gemacht. Geht in etwa in die gleiche Richtung. Besonders die Kommenatre liefern MMN einen guten Überblick.