Den Keim abtöten?

Bin eben auf einen Artikel von einem Studenten meiner alten FH gestoßen, wo ich von 2002 bis 2006 Journalismus und Unternehmenskommunikation (JuK) studiert habe.

Als JuK-ler der ersten Stunde finde ich den Beitrag sehr … ähm… aufschlussreich. Zeigt er doch, dass sich an meinem alten Studiengang schrecklich wenig verändert hat. Das stupide Auswendiglernen von Fakten gehört wohl auch noch dazu. Ich weiß noch, dass irgendwelche Nachrichtenfaktoren nach irgendwem jeweils mit den Buchstaben U-B-Z-E-K-B-E beginnen. Wofür die stehen? Keine Ahnung.

Wenn die Dropout-Raten, die in dem Artikel genannt werden, stimmen, dann hat sich der Druck wohl noch verstärkt. Ich erinnere mich, dass wir im 5. Semester zwei Fälle hatten, die psychiatrische Behandlung brauchten. Das war alles andere als lustig und mit Sicherheit auch der Tatsache geschuldet, dass – zumindest hatte ich damals sehr dieses Gefühl – JuK in Graz die Aura einer 8 Semester andauernden Klausurtagung hatte.

Und wenn ich mir die Erzählungen über Solitärspielen in der Vorlesung anlese, dann kommt mir das auch ziemlich bekannt vor, wobei ich glaube, dass das kein JUK-spezifisches Phänomen ist. War vorher an der TU ganz genauso 🙂 .

Sehr interessant fand ich, was zwischen den Zeilen rauskommt. Nämlich die Frage, ob der Studiengang, der sich um die Ausbildung junger Journalisten (und PR-ler) kümmert, nicht letztendlich dafür sorgt, dass diesen Menschen die Berufung zum Journalismus ausgetrieben wird. Ein Punkt, den ich im Nachhinein auch bei mir selbst habe feststellen können. Vielleicht.

Als ich 2002 dort anfing hatte ich meine ersten journalistischen Gehversuche gerade hinter mich gebracht (mehr aus der Not geboren) und ich war festen Willens, durch mein Handeln meinen Beitrag zu einer besseren Welt zu leisten. Heute arbeite ich in der Unternehmenskommunikation. Das sagt glaube ich alles. Damals wollte ich tatsächlich Kriegsberichterstatter werden. Lächerlich: Das eigene Leben riskieren, dafür, dass sich ein paar vollgefressene Westeuropäer ihre tägliche Dosis Betroffenheit abholen können, während sie dabei nervös im Ohrensessel nach der Chips-Tüte fingern.

Wir waren zu Beginn ein ziemlich wilder und ungezügelter Haufen: In einem Film-Beitrag stellten einen Kommilitonen, gefesselt und geknebelt hinter dem Schreibtisch unseres Studiengangleiters, während dieser im Vordergrund ein Interview gab. Und diese Radio-Stunde auf Radio-Helsinki (Leider ist nur noch diese Anmoderation erhalten) würden wir alle wohl nicht mehr so machen. Ich kann heute gar nicht glauben, dass wir das wirklich über den Äther gejagt haben.

Es gibt keinen wirklichen Knackpunkt in dieser Geschichte, kein besonderes Ereignis, an dem man es festmachen könnte, aber irgendwann schlug dieser Tatendrang (sicherlich dadurch befeuert, dass man uns die ganze Zeit erzählte, wir wären die Elite… einige haben das wirklich geglaubt. Ich auch) um in ein Gefühl der Verblüffung, dann der Fassungslosigkeit, dann der Wut und schließlich in Zynismus. Wir lernten, dass die Medien vor allem einem Zweck dienen. Der Profitmaximierung oder der politischen Einflussname oder beidem. Und wenn es das nicht war, dann waren es andere Perversitäten: Ungekennzeichnete Euro-Fighter-Advertorials im Kurier, Kampagnenjournalismus in der Krone oder auch nur die Tatsache, dass es im Styria-Konzern nicht möglich ist, offen über Homosexualität zu schreiben, geschweige denn kritisch über die Katholische Kirche. Wenn man dann noch „Media Control“ von Chomsky liest, wird klar: Journalismus ist ein zutiefst unmoralisches Geschäft, oder wie es eine Kommilitonin damals ausdrückte: „Ich bin mir immer weniger sicher, ob PR nicht vielleicht doch ein ehrlicheres Geschäft ist.“ Ich hätte das damals übrigens vehement zurückgewiesen. Klar… es gibt Ausnahmen, aber die kann man an einer Hand abzählen. Wer jetzt übrigens meint, es gäbe Horte der journalistischen Glückseligkeit, der sollte mal bei Gerfried Sperl anfragen, warum das Pferd im Standard so eine überaus überrepräsentierte Tierart ist. Vielleicht fällt ihm dazu eine passende Bildunterschrift ein.

Was also habe ich von diesem Studiengang mitgenommen? Auf der Habenseite sicher eine fundierte technische Ausbildung: Avid, DTP, HTML usw. Dazu ein recht eindrückliches Verständnis davon, wie nach welchen Mechanismen Journalismus funktioniert, und wie sich (öffentliche) Meinung entweder opportun (PR) oder fundamentalistisch (Journalismus) manipulieren lässt. Passt soweit.

Wenn man aber Journalist werden möchte, sollte man mmn. die Finger von diesem Studium lassen, besser etwas studieren, das einem Spaß macht und für umsonst in einer Redaktion arbeiten (das ändert sich später eh nicht). Das größte strukturelle Problem dieses Studiengangs ist mmn. für angehende Journalisten, dass man dort zwar lernt, wie man Inhalte produziert, aber hinterher keine Kompetenz in dem Thema besitzt über das man schreibt/filmt/aufnimmt. Wenn man in die PR möchte oder Medienkonzepte entwicklen möchte, dann geht man getrost da hin. So gesehen ist das keine Journalistenausbildung, sondern ein selbstreferenzieller Rekurs. Und dieser Rekurs gekostet? Sicher den naiven Umgang mit Medien und die unverkrampfte Schreibe.

Die Frage ist, ob der Verlust meiner Naivität nicht zwangsläufig war, oder ob er durch das Studium kanalisiert und zielgerichtet wurde. Wenn das aber so ist, muss ich mir diesen Schuh auch anziehen und mich fragen, warum ich mich habe derart korrumpieren lassen.

6 Gedanken zu „Den Keim abtöten?

  • 09/28/2008 um 15:07
    Permalink

    wird asap digitalisiert und verschickt, bzw. gar online gestellt! As soon as I am back in Styria, zugegebenermaßen.

    Antwort
  • 09/28/2008 um 14:37
    Permalink

    oh… haben will, haben will

    Antwort
  • 09/27/2008 um 12:54
    Permalink

    Als ehemaliger Studienkollege des geschätzten Grenzpfostens kann ich vieles bestätigen. Hätte ich damals schon einen Laptop gehabt, wären wohl auch viele Vorlesungen für Autorennen, Worms und belangloses Web 2.0-Gebrabbel draufgegangen. Dass das viel strapazierte e-learning funktionieren kann, habe ich erst im Erasmus-Semester in der Schweiz kennen gelernt.

    Aber egal jetzt. Fakt ist: Das Studium war oft mühsam, ging über die Grenzen des Leistbaren hinaus, war bisweilen völlig sinnentleert (man denke an TV-Beitrag 1 oder die misslungenen bilingualen Vorlesungsversuche) und gleichzeitig amüsant („der Sack ist voll…“) und vor allem eines: praktisch. Liest man die aktuellen e-mail Adressen unserer KollegInnen, so hat sich ein Netzwerk entwickelt, das im medial unterentwickelten Österreich und auch darüber hinaus ein ordentliches Spektrum abdeckt. Ich denke, das ist der große Nutzen des Studiums. Alles andere liegt ja an einem selber. Auch ich habe oftmals Anfangsbuchstaben runtergerasselt. Aber hierzulande ist der Titel halt wichtiger als die tatsächlich erbrachte Leistung. Die Welt will ich vielleicht auch nicht mehr verbessern, aber zumindest nicht allzusehr zu verschlechtern.

    Und zum Schluss das wichtigste: Ich hab die Helsinki-Sendung auf Tape!

    Antwort
  • Pingback: …beißen nicht « Leichen der Zeit

  • 07/10/2008 um 11:59
    Permalink

    Nicht das das falsch verstanden wird: Das Studium war keinesfalls sinnlos, oder so. Aber es raubt einem ein paar illusionen, die mmn. wichtig wären, um einen wirklich guten (im moralischen Sinne) Journalisten hervorzubringen. Wenn ich mir überlege, was mir nach dem Studium bei Styria und/oder Holtzbrinck angeboten wurde, dann stimmt Dein letzter Punkt mit Sicherheit. Und das wird noch schlimmer werden, denn die Meidenunternehmen schaffen es nicht, ihre Werbeetats, die sie ans Internet verlieren, dort auch nur ansatzweise zurückzuholen. D.h. Es wird massenhafte Entlassungen geben (ich würde schätzen so 20% der heutigen belegschaften) und noch mehr präkäre Arbeitsverhältnisse. Für neueinsteiger wird es praktisch unmöglich sein, eine Stelle zu finden. Wenn ich als CR die wahl habe zwischen nem Frischling und 20 gestandenen Redakteuren dann fällt die Wahl ja wohl nicht schwer. Wahrscheinlich dürfte es erträglicher sein, einfach zu bloggen. Oder sich http://www.blogwerk.com anzuschließen. Wäre übrigens ne coole Sache fürs lange Praktikum. Wenn gewollt, stell ich gerne einen Kontakt zu Peter her.

    Antwort
  • 07/10/2008 um 09:58
    Permalink

    Dein Rückblick über das Studium, das bei mir ja gerade erst angefangen hat, lädt mich wieder einmal mehr zum Trotz als zu Resignation ein.
    Ich seh den Journalismus (bzw. seine Inhalte) immer noch als ziemlich individuelles Ding und damit ist jeder selbst verantwortlich was und wie er schreibt. Ob sich damit wirtschaftlich überleben lässt ist die andere Frage.
    Ein wenig lese ich sogar ein Kompliment an das Studium aus deinem Text. Wenn der wirkliche Journalismus so profitorientiert ist und „zutiefst unmoralisch“ bereitet uns das Studium doch gut darauf vor.
    Vielleicht liegt das Problem ja an der stelle, das niemand die Journalisten brauch und bezahlt, die wir (also zumindest ich) gern werden würden?

    Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert