Täuschungsraspeln in Süßholzhausen
Auf der Medienlese zerlegt Klaus Jarchow genüsslich ein Posting von Petra Sammer, der Geschäftsführerin der PR-Agentur Ketchum. Die hatte sich im Mediacoffee-Blog über den Kommunikationswissenschaftler Klaus Merten erhizt. Dieser hatte sich bei einer Rede in Münster (Manuskript hier) vor Leuten unserer Zunft dazu hinreißen lassen, ebenjene PR-ler an ihrem wundesten Punkt zu treffen. Der eigenen Moral. Unter dem Titel „Public Relations – die Lizenz zu Täuschen“ sagte er z.B.:
Täuschung zielt immer auf Manipulation der Wahrnehmung. […] Der Anschein ersetzt eine nicht sichtbare „echte“ Wirklichkeit, die unbekannt ist, so dass der Anschein nicht entlarvt werden kann.
Solche Fälle sind nicht typisch für Public Relations, aber sie kommen durchaus vor.
In einem elementaren Sinn machen alle Public Relations Gebrauch von Täuschung – Täuschung im Sinn von Goffman und dies strikt wertfrei verstanden. Schwierig ist allerdings, bei der Täuschung (Manipulation von Wahrnehmung der jeweiligen Zielgruppe) Grenzen zu ziehen und Grenzen zu erkennen.
Da muss sich Frau Sammer mächtig drüber aufregen:
Ganz egal, ob Prof. Merten das Wort „Täuschung“ positiv aufladen will oder nicht. Ganz egal wie „wissenschaftlich“ er das zu argumentieren versucht. Ganz klar und vollkommen unwissenschaftlich ausgedrückt: ich sehe Täuschung nicht als Teil unseres Berufes und ich hoffe, es gibt Kollegen und Kolleginnen, die diese Meinung teilen.
Die Meinung kann ich beim besten Willen und auch unter Berücksichtigung von Frau Sammers Versuch der PR-PR nicht unterstützen, denn sie ist mmn. schon rein „systembedingt“ nicht haltbar. Jede mediale Handlung (auch die von journalisten) ist eine Manipulation und damit im stregen Sinne eine Täuschung. Muss eine Manipulation sein, da sich die Wahrheit nicht medial darstellen lässt. Es ist also vielmehr andersherum. Mediale Produktion bedingt Manipulation und damit (wenn man Merten folgt) ist Täuschung zwangsläufig. Ungeschminkte, pure, gleichgewichtete Information ist nicht nur praktisch unmöglich (z.B. duch mangelnden Platz bzw. max. Aufmerksamkeitsdauer des Rezipienten). Sie wäre auch für den i.d.r. Konsumenten gänzlich nutzfrei, da sie zur Realitätskonstruktion im (wenn ich den Kram von Luhmann richtig verstanden habe) geschlossenen System-Mensch kaum erheblich sind. Das hieße dann mmn., dass wir die Interpretation durch einen Dritten zwingend brauchen, da wir keinen Erfahrungshorizont für die Re-Konstruktion der meisten medial transportieren Themen haben.
So gesehen kann ich verstehen, warum die PR-Verbände nicht, wie von Sammer gefordert, gegen Merten sturmlaufen. Er hat einfach recht. Zeigt sich hier vielleicht Nietzsche?
Die Furcht ist die Mutter der Moral.
Oder, wie es Klaus sehr treffen zusammenfassend zitiert: „Die Wahrheit ist eine Erfindung der Lügner.“ Oder im Sinne vom Kreter Epimenides: Alle PR-ler sind Lügner! Ergo: Glaube keinem Medium! Nicht mal diesem Posting!
Übrigens das hier ist passend zum Thema. Sehr unterhaltsam. Und das hier zum Kaukasuskonflikt passt auch ganz gut.
Süßholzhausen is an expression by Klaus Jarchow. Ordnung muss sein 🙂