Deutsche Bahn im Web 2.0: Wenn das Knie blutet

Nachdem sich die Dinge rund um den PR-Aufreger der Bahn etwas abgekühlt hat, kann man nun etwas Bilanz ziehen. Nochmal kurz für alles die die Sache inzwischen schon wieder vergessen haben:  Offenbar hatte die Bahn versucht, mit verdeckten Aktionen Stimmung für den Börsengang und gegen die Lokführergewerkschaft zu machen. Dazu gehörten lt. SPON: gesteuerte Leserbriefe, gesteuerte Kommentare in Internetforen, eingekaufte prominente Testimonials und eine wahrscheinlich gekaufte Umfrage. Das ganze flog auf, als die NGO LobbyControl Neubahnchef Grube auf die Vorgänge aufmerksam machte. Soweit die Vorgeschichte. Frage: Wie kann man das als PR-ler bewerten und was für objektive praktische Schlüsse kann man daraus ziehen?

Das Ausmaß
Hier mal ein paar harte Zahlen zum Medienecho im Web (alles Stand 2. Juni):

Insgesamt würde ich sagen: Das ist eine veritable Katastrophe für jeden Berufskommunikator. Besonders im Internet, denn Google vergisst im Gegensatz zum Druckerzeugnis nichts. Diese Geschichte wird immer wieder hochpoppen, weil sie hoch gerankt ist.

Die Reaktion der Bahnführung
Man kann der Bahn einiges Vorwerfen, in diesem Fall aber hat das (neue) Management schnell reagiert und das einzig Richtige getan. Als der Vorfall publik wurde, behandelte Bahnchef Grube das ganze als eine Art Kriminalfall. Er selbst kann das gut, weil er zum Zeitpunkt der Vorkommnisse noch nicht mit an Bord war. Außerdem ist das Timing „gut“. Nach dem Spitzelskandal traut man der Mehrdorn-Clique in der Bahn einfach alles zu. Das Entsetzen ist dadurch etwas weniger groß, als wenn der Skandal wie bei der Telekom, Jahre später herausgekommen wäre. So kann sich die Neue Führung als Saubermann positionieren. Krise ist Chance. Man beauftragte KPMG mit der Aufklärung und feuerte den Verantwortlichen im mittleren Management. Perfekt. So macht man das. Der Sündenbock ist benannt und bestraft (Michel Foucault hätte seine Freunde). Außerdem bringen die Ermittlungen von KPMG die nötige zeit um seine Kommunikation auf Vordermann zu bringen.

Und die Moral?
Was also können wir als PR-ler von dieser Geschichte lernen? Man kann die Aktionen der Bahn mit Sicherheit als unmoralisch verwerfen. Aber ich glaube, der Begriff der (Un)moral, mit dem die Bahn jetzt überschüttet wird, ist zwar die erwartbare Reaktion einer hinters Licht geführten (Medien)-Gesellschaft, für eine PR-seitige Analyse aber gänzlich unbrauchbar. Wie sagte schon Nietzsche: „Skepsis an der Moral ist das Entscheidende“. Da Moral erstens different und deshalb zweitens in der unternehmerischen Welt ziemlich unbrauchbar ist, muss man sich einem anderen Faktor zuwenden, der nachhaltiger ist. Dem Risiko. Man hätte sich bei der Bahn im Vorfeld fragen müssen: Wie hoch ist das Risiko erwischt zu werden und wenn man erwischt wird, wie hoch sind die daraus folgenden Schäden? Und weiter: Sind die Vorteile, die man durch diesen unlauteren Zug erwarten kann so groß, dass sie das Risiko mehr als aufwiegen? Wenn man sich das Ausmaß der entstandenen Schäden ansieht und zwar sowohl auf Bahn wie auch auf Agenturseite, dann wird klar. Nie und nimmer waren die erwartbaren Gewinne das Risiko wert. Weder für die Bahn noch für die beteiligten Agenturen. Im Internet kommt immer alles heraus. Es ist nur eine Frage der Zeit und der Zufall spielt immer gegen den Manipulator.

Das Image der Bahn ist nachhaltig und dauerhaft geschädigt worden und man kann in Berlin nur froh sein, dass man mittlerweile einen neuen Chef in der Bahnzentrale hat, der noch nicht besudelt ist und deshalb noch Glaubwürdigkeit besitzt. Dass der Bahn hier nicht noch mehr geschadet wird ist nur diesem einen glücklichen Umstand zu verdanken.

2 Gedanken zu „Deutsche Bahn im Web 2.0: Wenn das Knie blutet

  • 06/09/2009 um 11:31
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    Naja, es gab ja keinen mehr im Top-Management (Mehdorn), den man zu diesem Zeitpunkt noch hätte feuern können 🙂

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  • 06/09/2009 um 00:29
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    Zitat: „…und feuerte den Verantwortlichen im mittleren Management.“ Noch eine Moral, aber die ist schon etwas älteren Datums: Die Kleinen hängt man, die Großen läßt man laufen. Z.B. zu einem anderen Großunternehmen, möglichst auch noch mit einem „goldenen Händedruck“. Ähm, kann man das Image der Bahn noch schädigen? Die Abkürzung des Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG, das sich auch schon bei anderen Unternehmen zweifelhafte Lorbeeren erworben hat, wird übrigens von Konkurrenzunternehmen, natürlich nicht von mir, mit „Keiner prüft mehr genau“ übersetzt.

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