Social Media Krisen-PR: Bitte nicht auslagern

Momentan macht es wahrscheinlich keinen großen Spaß, bei der Bahn oder im Verkehrsministerium oder bei der Stuttgarter Landesregierung in der Kommunikation zu arbeiten (oder vielleicht macht es besonders Spaß). Natürlich wegen der Proteste rund um den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs. Der Protest ist aber nicht nur auf der Straße oder in den klassischen Medien zu finden, sondern auch im Netz und da natürlich besonders bei den Social Media Angeboten.

Nun hat ja die Bahn nicht gerade den besten Leumund, was Social Media Kommunikation angeht. Und jetzt im Angesicht der Krise sieht es so aus, das ganz ähnliche Fehler wieder gemacht werden.

Auf einschlägigen Blogs und auf Twitter geistern Meldungen über eine massive und vor allem wiedereinmal verdeckt stattfindende Counter-PR. Auch auf Facebook soll das stattfinden.

Das ist ein Problem: wie Thomas Pleil richtig schreibt:

Solche Intransparenz verstößt nicht nur gegen den Ethik-Kodex des Deutschen Rates für Public Relations (http://www.drpr-online.de), sondern dürfte das Misstrauen gegen die Entscheider zu Stuttgart 21 nur noch erhöhen, sollte sich dieser Verdacht bestätigen.

Nochmal, es handelt sich hier um Vorwürfe, die allerdings ziemlich sauber recherchiert aussehen. Außerdem kommt so etwas im Netz immer raus, so dass es nur eine Frage der zeit ist, bis entsprechende Beweise tatsächlich vorhanden sind (und sich die großen Medien auf das Thema setzen).

Wenn sich dieser Vorwurf jedoch bewahrheiten sollte, dann ist nicht nur mit einem massiven Image-Schaden aller Beteiligten zu rechnen, viel schlimmer wird sich auswirken, dass auch Menschen, die pro Stuttgart21 sind, aller Glaubwürdigkeit beraubt werden. Ein Umschwung der öffentlichen Meinung zu einem positiveren Bild von Stuttgart21 wird damit effektiv verunmöglicht.

Jetzt ist es ja nicht die Monster-neue Erkenntnis, dass solche Astroturfing-Aktionen sehr riskant sind. Darum frage ich mich, warum man bei den Initiatoren ein solches Risiko eingeht. Eines ist klar: Die Initiatoren von Stuttgart21 haben ein demokratisch verbürgtes recht, an der Diskussion um das Für und Wider des Projekts aktiv teilzunehmen. Warum tun sie es nicht einfach? Offen? Transparent? Niemand hat etwas dagegen, wenn die Initiatoren von Stuttgart 21 Befürworter hinter sich versammeln. Auch das gehört zum Prozess öffentlicher Meinungsbildung.

Es gibt mmn. zwei mögliche Erklärungsmuster, warum hier versucht wird, mit verdeckten Mitteln zu arbeiten.

1. Panik: Man merkt, dass man mit den „normalen“ Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit (Pressearbeit usw.) im ersten Moment nicht besonders viel erreicht. Außerdem hat man Kommunikation im Voraus verabsäumt und kan jetzt nicht davon zehren. Man bekommt Druck von oben („Stellen Sie das ab!“) und verfällt in Panik. Und wer in Panik ist, der macht strategische Fehler und klammert sich an jeden angebotenen Strohhalm. Z.B. Agenturen, die versprechen, dass Sie das Problem unter der Hand in den Griff bekommen. Das ist dann zu verführerisch, um es nicht zu machen.

2. Mangelnde Kompetenz Inhouse: In dieser Situation, wenn der Boss das schnelle Ergebnis will und ein Dienstleister die „einfache“ Lösung bietet, dann braucht man jemanden im Unternehmen, der sagt: Stopp, das kann übel in die Hose gehen. Das Risiko ist sehr sehr hoch. Ein paar Dienstleister werden immer die Lösung anbieten, die der Kunde am liebsten hätte (schnell, einfach, ohne großen Aufwand, unter der Tischdecke). Wir sind aber nicht im Wunderland. Diese Lösung gibt es bei Social Media nicht. Und wenn es niemanden gibt, der dann aufsteht und sagt: Leute macht das bitte nicht, dann passiert genau so etwas.

Darum muss die Kompetenz im Unternehmen sein.

Bild: CC-by http://www.flickr.com/photos/faulit/

3 Gedanken zu „Social Media Krisen-PR: Bitte nicht auslagern

  • 09/27/2010 um 08:43
    Permalink

    @Alex
    Ich denke eines der Probleme ist, dass in manchen Unternehmen die Meinung vorherrscht, der einfache Konsument habe gar kein Recht, sich öffentlich und negativ über ein Produkt zu äußern.
    Ich habe das als Bahnkunde erlebt. Als ich mich im Pendlerzug von Augsburg nach München beim Schaffner beschwerte, dass die Bahn jetzt nur noch 4 statt wie bisher 7 Wagen an den Zug spannt, meinte süffisant: „Sie können ja auch Auto fahren, wenn Ihnen unsere Geschäftspolitik nicht passt.“
    In einem solchen Umfeld, wo Protest des Kunden als Insubordination gewertet wird, ist Astroturfing natürlich schneller legitimiert.

    Antwort
  • 09/27/2010 um 08:14
    Permalink

    Ich stimme hier völlig zu, Leider ist es aber nicht nur bei der Bahn eine gern gesehene Methode. Scheinbar hält alle Welt das Internet noch immer für eine anonyme Weite. Viele Presseberichte helfen hier nicht, die Sicht zu ändern. Doch leider kommen solche Methoden immer wieder hinaus, zumal viele sehr plump handeln. Wenn bei Bewertungen nur sehr gute oder sehr schlechte stehen, kann ich immer davon ausgehen, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Dabei ist es oft schon schwer genug einen guten Ruf aufzubauen und mit solchen furchtbar intelligenten Tricks kann man sich selbigen binnen kürzester zeit ruinieren. Das dauert dann wieder Jahre, um sich aus dem Loch herauszuarbeiten. Einfach nur traurig, dass so viele noch nicht wirklich die Probleme erkannt haben, dass gilt leider auch für zahlreiche Profis der PR und Marketing Branche.

    Antwort
  • Pingback: Fundstücke vom 26.09.2010 | daniel rehn – digitales & reales

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