Social Media Strategie: Einfach mal Klappe halten

Ich bin normalerweise kein Freund des Schweigens (würde ich sonst dieses Blog betreiben?), aber manchmal denke ich mir: Einfach mal die Klappe halten könnte ab und zu auch angebracht sein.

Auch wenn mir da die Agenturkollegen sicherlich widersprechen (immerhin ist es deren Geschäftsgrundlage, das Unternehmen sprechen wollen): Es ist für Unternehmen nicht immer ratsam, den Dialog mit dem Kunden zu suchen (ich weiß, das ist eine geradezu ketzerische Vorstellung). Denn manchmal kann das Unternehmen nichts gewinnen und der Dialog (also solches eh nicht steuerbar) geht dann schnell in Richtungen, die sich als kontraproduktiv erweisen.

Eine solche Erfahrung macht im Moment die Deutsche Bahn. Die steht ja grade etwas unter Druck wegen Stuttgart21 und so und hat jetzt eine, an sich ganz interessante, Marketing-Aktion auf Facebook namens Chefticket gestartet.

Wie man sich vorstellen kann, kommen da auf der Pinnwand nicht nur hübsche nette Kommentare der User, sondern natürlich auch nicht so nette. Auch welche, die in einem Zusammenhang mit dem momentan aufgeladen negativen Image der Bahn stehen. Wie es Jochen berichtet:

Am Anfang beschränkte sich die Kritik noch auf das „mitgelieferte“ Video. Von „arm“ oder „verwerflich“ war die Rede, „Den Werber (…) solltet ihr rauswerfen!“, kommentierte zum Beispiel Manuel. Reaktion durch die Betreuer der Seite: Null. Wenig später schoss sich dann die Facebook-Gemeinde auf die Bahn selbst und ihr Social Media-Auftreten ein.

Auch bei den einschlägigen Netzkommentatoren zu solchen Aktionen gibt’s auf die Nüsse:

Es ist eine Situation großer Unsicherheit, weshalb als Anker die bekannten Dienstleister herhalten dürfen im Glaube, sie könnten das. Tatsächlich aber ist das ein Irrglaube. Und das demonstriert auf monströse Art und Weise die Deutsche Bahn und ihr Dienstleister Ogilvy – mit einem der größten Social-Media-Unfällen bisher, einer Fallstudie, die es in alle gängigen Vorträge und Artikel schaffen wird, eine unfassbar dilettantische Vorgehensweise.

Das wesentlichste Problem, dass die Bahn mit dieser Aktion hat, ist, dass eine (an sich ganz gelungene) Marketingkampagne in einem sozialen Medium von einem PR Issue (S21 plus mieses Image der Bahn generell) überlagert wird. Das macht die Marketingkampagne kaputt und zeigt einmal mehr, dass in Social Media Marketing und PR aus einer Hand kommen müssen.

Was also hätten die von der Bahn tun sollen mit ihrer Kampagne? Momentan können Sie damit nicht mehr gewinnen als sie verlieren. Also: Klappe halten und einfach mit der Kampagne ein Dreivierteljahr warten. Dann ist genau die gleiche Kampagne ein Erfolg.

Bild: CC-BY http://www.flickr.com/photos/fbobolas/3823028190/

2 Gedanken zu „Social Media Strategie: Einfach mal Klappe halten

  • 10/24/2010 um 18:09
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    @gabrealness – Hm, weiß nicht, ob die Situation noch schlimmer werden kann 😉
    Ich persönlich denke, dass der Schachzug mit Geißler als Mediator mittelfristig ziehen wird. Der Bahnhof wird gebaut werden, das ist für mich sicher. Wenn es der Bahn und Konsorten gelingt, via Mediation die Wogen raus zu nehmen (in Wirklichkeit geht es ja schon lange nicht mehr nur um den Bahnhof und darin liegt die Chance für die Bahn), dann kann man in 6 Monaten sicher wieder im Web mit Marketing Aktionen aktiv werden.

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  • 10/24/2010 um 16:25
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    Interessanter Blogpost. Nur eine Frage,wie kann man die Klappe halten, wenn mann nicht weiß, ob die PR-Situiation in einigen Wochen nicht noch schlechter aussieht? #bahn

    Antwort

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