Die Unschuldigen im Shitstorm

Die Diskussion rund um die aktuellen Enthüllungen von WikiLeaks haben im Netz einen veritablen Shitstorm gegen jene Unternehmen entfacht, die, aus welchen Gründen auch immer, Spenden an Wikileaks blockieren oder einfach nicht mehr mit Wikileaks zusammenarbeiten wollen. Diese Unternehmen bekommen jetzt richtig auf die Backen.

An dieser Stelle ein kleiner persönlicher Einwurf: Ich finde ddos-Attacken albern, weil das virtuelle Einwerfen von Fensterscheiben keinen weiterbringt, aber: Wer Wikileaks aussperrt, der darf sich nicht wundern, wenn seine User/Kunden im Social Web ihren Unmut kundtun. User haben alles Recht, (ihrem) Unternehmen klar mitzuteilen, dass sie mit der Geschäftspraktik nicht einverstanden sind. Meine Meinung.

Doch leider trifft dieser Shitstorm trifft nicht nur die “Richtigen “. In einem derart emotional aufgeladenen Umfeld gibt es auch unschuldige Opfer. Eines dieser Opfer ist der DNS-Hoster EasyDNS. Über die armen Jungs aus Kanada brach der volle Shitstorm herein, als via Twitter und Co bekannt gemacht wurde, EasyDNS hätte die Zusammenarbeit mit Wikileaks beendet. Das Problem an der Sache. EasyDNS hatte nichts mit der Sache zu schaffen. Im Eifer des Gefechts waren sie mit everydns.net verwechselt worden. Aus dem Blogpost von Mark von EasyDNS ist die Verzweiflung zu lesen:

The incorrect info rippled through twitter like a zombie horde. Not only did people mindlessly hit the „retweet“ button and perpetuate bad information: some took the time and care to email us, or search for our blog (why couldn’t they do a whois lookup while they were at it?) and post comments about our „cowardice“.

Es lohnt sich übrigens, den ganzen Blogpost zu lesen, denn er zeigt auf dramatische Weise, wie ein völlig unschuldiges Unternehmen in den Sog eines Shitstorm geraten kann, wie gesundheitsschädigend die Auswirkungen sind und wie hilflos das Unternehmen in dieser Situation ist. Besonders, wenn die Presse auf den Zug mit aufspringt (in dem Fall z.B. NYT und Guardian).

any decisions made while a full-on shitstorm is being targeted at one’s company and business are not political ones, they are ones of survival.

Ich nehme aus dieser unrühmlichen Episode zwei Dinge mit. Erstens: Die Zombie-Macht des Social Web, wenn Informationen unreflektiert weitergegeben werden, kann jedes Unternehmen treffen. Auch, wenn es völlig unschuldig ist. Die zweite Sache, die sich direkt daraus ableitet ist: Was also kann ein Unternehmen tun, um sich davor zu schützen? Die Jungs von EasyDNS hatten Glück im Unglück: Sie haben ein oft gelesenes Blog und sind gut im Socila Web vernetzt. Das gab ihnen die Gelegenheit, gegenzusteuern und mittlerweile rollt eine Welle der Sympathie durch das Social Web. Ein Unternehmen, das sich garnicht im Social Web engagiert, ist diesem Mechanismus aber schutzlos ausgeliefert. Hier reicht auch keine Krisenkommunikation mehr aus, denn wer keine Credibility im Netz aufgebaut hat, der hat auch keine Chance, sich zu rehabilitieren. Ich höre oft von Unternehmen die sagen: Social Web interessiert uns nicht, wir machen B2B, wir haben bessere Marketing-Kanäle… alles richtig, alles wahr. Aber diese Unternehmen müssen sich dann mit diesem Risiko abfinden. Der Schaden, der hier entstehen kann ist nicht gerade klein.

Bild: CC-BY: http://www.nasaimages.org

Ein Gedanke zu „Die Unschuldigen im Shitstorm

  • 12/16/2010 um 20:52
    Permalink

    Da fällt mir doch glatt mein Kommentar zu Flos Post im Zusammenhang mit den Terroranschlägen seinerzeit in Bombay ein. Auch da hat unreflektierte Twitterei nicht nur materiellen Schaden angerichtet (da beschleicht mich bei irgendwelchen Großunternehmen eher mescalerohafte, klammheimliche Freude), sondern Menschenleben in Gefahr gebracht. Ich bin ohnehin dafür, den „Re-Twitter“-Knopf genauso abzuschaffen wie den „Allen antworten“-Knopf bei der Mail. Da würde dann ein wenig mehr nachgedacht, wem man was schickt und viel mehr Zeit kostet’s auch nicht.

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