Interne Kommunikation: Timing ist alles
Das Begleiten von Change-Prozessen ist die Königsdisziplin der internen Kommunikation. Warum? Na, wenn alles läuft und das Unternehmen sich vor Aufträgen und Gewinnen nicht retten kann, ist Kommunikation einfach. Das Management bedankt sich für die tolle Arbeit, Boni können an- und Rekordzahlen verkündigt werden. In diesen Situationen findet in der Organisation praktisch keine Veränderung statt. Warum auch? Alles läuft wie geschmiert – never change a running system.
Dementsprechend findet Veränderung im Unternehmen fast ausschließlich dann statt, wenn es nicht gut um es bestellt ist. Umorganisationen, Stellenabbau, Gehaltskürzungen oder der Verkauf ganzer Unternehmensteile stehen dann auf der Agenda. Man muss kein Empathie-Genie sein, um sich vorzustellen, dass dies negative Auswirkungen auf die Belegschaft und ihre Produktivität hat. Wer sich um seinen Job sorgt, der kümmert sich nicht um Prozessverbesserungen, der denkt nicht an coole Aktionen für das nächste Jahr, der denkt nicht an die Qualitätsziele. Er denkt daran, wie er seine Familie durchbringen und den Kredit für Auto und Haus bedienen soll. Verständlich… menschlich. Hier sollte eigentlich die interne Kommunikation einen Beitrag zur Dämpfung dieser negativen Effekte leisten. Aber oft scheitern diese Bemühungen. Die Frage ist: Warum?
Einen interessanten Ansatz auf der Frage nach dem warum liefert Alexander Groth mit seinem Ansatz der „Achterbahn der Gefühle„. Es basiert auf der Arbeit von Elisabeth Kübler-Ross und zeigt, welche emotionalen Phasen Menschen im Zuge eines Trauer-Prozesses (oder auch: Mitarbeiter bei einem Change-Prozess) durchmachen (hier in leicht abgewandelter Form).
Das ansich ist schon einmal interessant. Es zeigt dem internen Kommunikator auf, in welcher Phase er mit welchen Widerständen und Symptomen zu rechnen hat, und kann diese gezielt kommunikatorisch ansteuern. Natürlich muss hier das Ziel sein, die X- und Y-Achse zu komprimieren. Also den gesamten Prozess schneller zu gestalten und die Ausschläge zu minimieren. Ausschalten lässt sich diese Kurve imho nicht. Menschen sind nun mal emotionale Wesen.
Soweit so bekannt. Interne Kommunikatoren arbeiten schon lange nach diesem Prinzip (hoffentlich). Trotzdem funktioniert es oft nicht oder nur schlecht. Einen möglichen und wie ich finde auch sehr einleuchtenden Grund dafür liefert Groth gleich mit: In einem hierarchisch organisierten Unternehmen laufen Informationsstränge und Change-Prozesse zumeist Top-Down. Das heißt: Die emotionalen Kurven bei Veränderungsprozessen laufen unterschiedlich schnell ab und starten zu unterschiedlichen Zeitpunkten, je nachdem, auf welcher Stufe der Pyramide man sich befindet und wie schnell man informiert wird.
Hier könnte der Hase im Pfeffer liegen, denn interne Kommunikationsprozesse sind in der Regel top-down initiiert. Ergo sind auch die Anforderungen durch das Management definiert, und die sind in ihrem “Trauerzyklus“ schon viel weiter als die einfachen Mitarbeiter. Die Konsequenz ist, dass es zu Irritationen kommt. Das Management (welches sich bereits in der Integrationsphase befindet) denkt, die Mitarbeiter würden nicht mitziehen und auf Stur schalten (Wut-Phase). Die Mitarbeiter wiederum denken, das Management sei herzlos und würde die verständlichen Gefühle der Belegschaft nicht ernst nehmen. Dabei befinden sie sich einfach nur in verschiedenen Phasen des Trauer-Prozesses.
Was also sind die Konsequenzen aus dieser Beobachtung?
- Es ist nicht zu verhindern, dass sich unterschiedliche Teile der Belegschaft je nach Hierarchieebene auf unterschiedlichen Trauer-Zyklen befinden. Man könnte das nur verhindern, wenn man alle Mitarbeiter aller Ebenen zur gleichen Zeit informieren würde. Das erscheint mir aber unrealistisch. Erstens müssen Ideen für Veränderungen müssen auf der Führungsebene diskutiert und verhandelt werden, zweitens würde völlige Transparenz und die Einbindung des ganzen Unternehmens am „Brainstorming“ dazu führen, dass Ideen bereits vor dem Beschluss torpediert werden. Damit fällt dieser hehre Wunsch per se flach.
- Das Management muss Kenntnis dieser organisationspsychologsichen Mechanismen haben. Nur so kann man als interner Kommunikator sicher Argumentieren, dass…
- … sich die globale (also für alle Mitarbeiter zugängliche) interne Kommunikation am langsamsten Zyklus ausrichten muss, auch wenn das in der Führungsebene Unbehagen auslösen dürfte. Stichwirt: Aber wir sind doch schon in der Implementierung.
- Kommunikationsmaßnahmen müssen zielgruppengerecht getimed werden. In größeren Unternehmen spricht nichts dagegen, nach Status im Trauer-Zyklus zu segmentieren. Während also das mittlere Management in internen Workshops bereits konkret auf die Umsetzung der Veränderung vorbereitet wird, kann parallel dazu eine Gesprächsrunde mit den unteren Ebenen anlaufen, um die Gründe der Veränderung zu erläutern und zu signalisieren, dass man die Ängste der Belegschaft ernst nimmt. Die Schwierigkeit dabei: Die Kanäle auseinander halten und Informationsübertrag (Gerüchte) so gut wie möglich zu vermeiden. Außerdem muss der Eindruck vermieden werden, man würde Informationen nach Hierarchieebene segmentieren.
Bild: CC-BY http://www.flickr.com/photos/bogenfreund/4900728051/
Perfekt, habe jetzt eine Weile nach so einer Zusammenfassung gesucht, schreibe grade einen Projektbericht im Zuge meiner Hausarbeit und da ist soetwas gold wert! Danke :)))
Das ist wirklich interessant. Ich wusste nicht, dass es in der Kommunikation verschiedene Phasen zu beachten gibt. Wenn ich es mir aber genau überlege ist diese ÜBerlegung gar nicht so verkehrt. Wenn man Analytisch an ein Problem herangeht, dann kann man es auch schnell lösen. Ich denke hier spielen nicht nur das Timing eine wichtige Rolle, sondern auch die Menschenkenntniss. Alle Menschen durchlaufen diese Phasen. Allerdings könnte ich mir auch vorstellen, dass nicht alle, alle Phasen durchlaufen und schon gar nicht zur selben Zeit.
Schöner Beitrag. Ich erinnerte mich mitten drin an den Satz „Man kommuniziert nicht nicht“ – den eigentlich kommuniziert ein Unternehmen auch in guten Phasen, nur wird oftmals verkannt welch Potential in Krisen stecken. Peter Kruse hat dazu einen weltklasse Video-Beitrag verfasst und Bezug auf Veränderungen genommen. Bei Interesse http://www.gleichgewicht.com/allgemein/prof-peter-kruse-uber-veranderungen.html
danke für die zusammenfassung, habe ich gerade gebraucht für die UNI 🙂