Interne Kommunikation: Gerüchte bekämpfen
Menschen lieben Gerüchte. Sie sind das Salz in der Suppe beim täglichen Kaffee-Tratsch und der Grund warum zahllose Klatschmagazine reißenden Absatz finden. Eine Studie des Max Planck Instituts für Evolutionsbiologie belegt, dass Menschen Gerüchten sogar eher Glauben schenken als Fakten. Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass diese sehr spezielle Form der Kommunikation auch im Unternehmen um sich greift.
Der typische Bürotratsch, wer was mit wem hat, ist zwar moralisch bedenklich aber für das Unternehmen noch relativ harmlos, solang er sich nciht ins mobbinghafte verstärkt. Richtig heftig wird es aber, wenn Gerüchte das Unternehmen oder strategische Entscheidungen betreffen. Dieser oder jener Standort oder diese oder jene Abteilung soll angeblich verlagert oder aufgelöst werden, man hört, dass das Unternehmen an eine Heuschrecke verkauft werden soll, man munkelt, dass am Stuhl des Vorstandes gesägt wird … Kein Gerücht ist abstrus oder unwahrscheinlich genug. Mehr noch: Ich habe manchmal das Gefühl, dass ein Gerücht umso hartnäckiger ist, je absurder es ist. In Kombination mit einer schwierigen wirtschaftlichen Lage sind solche Gerüchte geeignet einzelne Bereiche oder sogar das gesamte Unternehmen erheblich in seiner Leistungskraft zu beeinflussen. So wird das Gerücht schnell zur selbsterfüllenden Prophezeihung. Erste Leistungsträger verlassen das Unternehmen, die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich weiter. Das Management sieht sich zu Maßnahmen genötigt… es rumort in der Berlegschaft. Schnell entspinnt sich daraus ein Teufelskreis. Allerspätestens dann muss gehandelt werden.
Die Neutralisierung von Gerüchten ist die Königsdisziplin der internen Kommunikation. Erstens, weil sie einen deutlichen Beitrag zum Unternehmenswert leistet, zweitens, weil sie sehr sehr schwer ist. Gerüchte sind kaum greifbar, sie verbreitens ich rasend schnell auf informellen Wegen, bewegen sich in einem hochkomplexen psycho-sozialen Umfeld und haben, wie anfangs belegt, einen Glaubwürdigkeitsüberschuss gegenüber Fakten. Um es gleich vorwegzunehmen: Einen Königsweg bei der Neutralisierung von Gerüchten gibt es nicht. Was man aber machen kann ist, sich verschiedene Strategien anzuschauen und dann zu beurteilen, welche im jeweiligen unternehmenskulturellen Umfeld am erfolgversprechendsten ist.
Was hab ich da überhaupt
Bei der Gerüchtebekämpfung sollte man sich zunächst einmal fragen: Was ist das überhaupt für ein Gerücht? Wo kommt es her und wie ist es entstanden. Man muss das Gerücht sozusagen „reverse engineeren“. Dazu muss der interne Kommunikator extrem gut vernetzt sein und hohes Vertrauen bei den Mitarbeitern genießen. Sonst wird niemand eine ehrliche Antwort geben. Grundsätzlich kann man unterschieden zwischen Gerüchten, die diffus entstanden sind und solchen, die gezielt gestreut wurden, um Schaden anzurichten (zum Beispiel von einem Mitarbeiter, der auf persönliche Rache aus ist oder aus taktischen Gründen ein Projekt frühzeitig torpedieren will). Diese beiden Grundtypen verlangen eine gesonderte Vorgehensweise.
Außerdem ist es hilfreich, das Gerücht hinsichtlich seiner Topologie und Reichweitenwirkung zu untersuchen. Oft hilft diese Analyse schon dabei, die passenden Gegenmittel zu finden.
- Ist das Gerücht zutreffend oder nicht?
- Wie hoch ist der erwartbare Schaden (Stichwort Risikomanagement)?
- Ist das Ehrenmoment betroffen? Hat das Gerücht auch eine juristische Komponente (Bettina Wulff grüßt)?
- Wer könnte dahinter stecken (cui bono)?
- Welchen Wirkungsgrad hat das Gerücht (intern/extern/fachmedia/massenmedial)?
- Wie lange könnte sich das Gerücht halten?
Gegenmaßnahmen
In der Theorie gibt es verschiedene Strategien, wie man einem Gerücht begegnen kann. Ich habe hier einige aufgeführt:
- Dementi: Das Abstreiten eines Gerüchtes ist in der Regel wenig hilfreich. Es zeigt sich, dass sich das Grücht dadurch eher verstärkt (Nach dem Motto: Wo rauch ist, muss auch Feuer sein).
- Aussitzen: Diese Kohl’sche Strategie ist kann gute Ergebnisse liefern. Allerdings ist das ein ziemlcih anstrengender Weg, besonders, wenn das Gerücht an der Ehre des Unternehmens oder eine Person kratzt. Außerdem ist dieser Passive Weg nciht ohne Gefahren, denn man verliert auf diese Weise die Deutungshoheit über einen Thermenkomplex. Die Rolle wird dann sehr passiv. Die Wichtigste Frage im Zusammenhang mit der Strategie des Aussitzens ist die des Lebenszyklus des Gerüchts. Wenn man davon ausgehen kann, dass ein gerücht schnell wieder abzieht oder überlagert wird, dann könnte Aussitzen eine Option sein. Wichtig beim Aussitzen ist, dass man nicht in die Salami-Taktik verfällt. Sonst hat man am Schluss doch Stellung genommen und steht außerdem noch als unseriös da.
- Ablenken: Ist eine valide und bewährte Taktik. Im Film „Wag the Dog“ wird wunderbar beschrieben, wie ein Präsident einen fiktiven Krieg anzettelt, um von einer Affäre abzulenken, die bereits als Gerücht kursiert. Hier ist die zentrale Frage: Habe ich wirklich eine Story, die genügend Strahlkraft hat, um das Gerücht zu überdecken. Außerdem muss man sich der Risiken bewusst sein. Kommt ein solches Manöver ans Licht steht man ganz schlecht da und verliert alle Glaubwürdigkeit. Im Zeitalter des Internets, eine sehr riskante Taktik. Von ethischen Gesichtspunkten einmal ganz zu schweigen.
- Entschuldigen: Ist mmn. das wirksamste Gegenmittel gegen Gerüchte, die wahr sind. Allerdings muss ein Unternehmen auch kulturell in der Lage sein, eine Entschuldigung zu verkraften. In vielen Unternehmen gibt es eine ausgeprägte Verknüpfung zwischen Fehler und Schuld. Je stärker diese Verknüpfung ist, desto weniger wird diese Taktik intern durchsetzbar sein. Der große Vorteil ist aber: Mit der Entschuldigung kann sich das Unternehmen in eine aktive Rolle zurückbringen, in dem es unmittelbar aufklärt. Wichtig ist auch der Zeitpunkt der Entschuldigung und die Taktiken, die zuvor angewendet worden sind. Hat man sich beispielsweise zuerst für die Taktik der Ablenkung entschieden und wurde ertappt, dann ist eine Entschuldigung nicht mehr glaubwürdig. Fast immer ist eine Entschuldigung umso wirkungsvoller, je eher sie ausgesprochen wird.
- Bestreiten von Verantwortlichkeit: Ein bewährtes Mittel, mit mittelguten Erfolgschancen. Man bestätigt das Gerücht, verneint aber eine unmittelbare Verantwortung. Auch dies ist nur erfolgversprechend, wenn man tatsächlcih eine verantwortlichkeit besitzt. Sonst wäre das Risiko mmn. zu groß.
- Lächerlich machen: Ein Gerücht und deren Weiterträger der Lächerlichkeit preiszugeben („Wer das glaubt, der glaubt auch an den Weihnachtsmann“) ist ein anerkanntes Mittel. Allerdings hat es den Makel, dass man als Sprecher oder Unternehmen schnell zynisch erscheint. In der Internen Kommunikation würde ich davon abraten, denn es drückt Mißachtung für all jene aus, die daran glauben. Wollen Sie wirklich einen (großen) Teil Ihrer belegschaft als Idioten branntmarken?
- Stigmatisieren der Gerüchteverbreiter: Ist ein probates Mittel bei Gerüchten, die falsch sind. Nach dem Motto: Dieses Gerücht wurde gezielt gestreut, um unserem Unternehmen und unseren Mitarbeitern Schaden zuzufügen. Gerne auch in Kombination mit einer hübschen kleinen Drohung („Das wird ein gerichtliches Nachspiel haben“). Menschen, die das gerücht weiter verbreiten müssen fürchten, aus dem sozialen Gefüge (z.B. dem Kollegenkreis) ausgeschlossen zu werden. Die Drohung verstärkt dieses Effekt noch durch die (vermeintliche) Kriminalisierung. Voraussetzung ist aber, dass das Gerücht definitiv falsch ist.
- Transparenz: Die auf den ersten Blick einfachste und auch wirksamste Methode, ein Gerücht zu neutralisieren. Aber der Teufel liegt im Details. Was, wenn das Gerücht stimmt und Börsenrelevant ist. Was, wenn das Gerücht stimmt und eine positive Bejahung einen Exodus an Mitarbeitern und (Fremd-)Kapitalgebern bewirken würde. Einige Organisationen sind auch kulturell nicht in der Lage, Transparenz herzustellen, oder es könnte bei einem aktiven Übernahmeversucht auch richtig viel Geld Kosten. Außerdem ist Transparenz ein Konstrukt, dass nur im Zusammenhang mit Glaubwürdigkeit wirkt. Wenn diese bereits erschüttert wurde, nützt Tranzparenz auch nichts.
Ursachenbekämpfung
Der Sicherlich erfolgversprechendste Weg, Gerüchte zu bekämpfen ist, ihnen den Nährboden zu entziehen. Denn wenn ein gerücht garnicht entsteht, dann braucht man es such nciht mit viel Aufwand neutralisieren. Dazu ist interessant zu betrachten, warum Gerüchte entstehen. Welche soziologischen Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit Gerüchte gut gedeihen können. Sehr schön fasst das der Gerüchte-Forscher Jean-Noël Kapferer zusammen
Das Gerücht setzt Misstrauen, Respektlosigkeit und Informationshunger bei den einen und Konservatismus, Desinteresse und Intoleranz bei den anderen voraus. (Link)
Etwas drastischer drückt es Cyrill Parkinson aus:
Wo immer in der Kommunikation ein Vakuum entsteht, werden Gift, Müll und Unrat hineingeworfen. (Link)
Das heißt also übertragen auf das Unternehmensumfeld: Wenn viele Gerüchte in meinem Unternehmen entstehen, dann ist das ein Gradmesser dafür, dass das Verhältnis zwischen Belegschaft und Führungsmannschaft gestört ist. Auf der einen Seite misstrauen die Mitarbeiter dem Management, sie haben Ihren respekt vor dem Management verloren und versuchen gleichzeitig ihren Informationshunger zu stillen. Auf der anderen Seite stößt dieser Informationshunger auf Manager, die eher mit anderen Dingen beschäftigt sind, als den Info-Hunger der Mitarbeiter zu stillen. Sie interessieren sich nicht wirklich für deren Ängste udn Bedenken, ja, halten diese vielleicht für kindisch oder unangebracht. Gerüchte sind ein sehr guter Indikator für die Qualität des Verhältnisses zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die Ursachenbekämpfung nicht taktisch, sondern nur strategische geschehen kann. Eine transparente und zeitnahe Informationspolitik ist sicherlich ein wichtiger Baustein, aber bei weitem nicht ausreichend. Interessanterweise zeigt einem das Gerücht selbst, wo der Ansatzpunkt in der Kommunikations und der Führungsarbeit liegt.
Fehlen Informationen oder herrscht Mißtrauen gegen die offiziellen Quellen, werden sich die Menschen mit Hörensagen über das Ereignis befassen, das ihnen plausibel erscheint. (Link)
Da das Gerücht sich häufig um einen zentralen Aspekt von übergeordneter Bedeutung herum bewegt, zeigt es auch gleichzeitig an, wo der kommunikatorische Ansatzpunkt liegt. Wenn es zum Beispiel ein Gerücht über eine Produktionsverlagerung gibt, dann zeigt das genau das Informationsbedürfnis an. Es würde sich also empfehlen, dieses Thema in der Kommunikation aufzugreifen.
Bild: CC-BY
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