Journalismus: Geschäftsmodell Stiftung/NGO

Vor etwa einem Monat habe ich mich in Graz mit vielen meiner ehemaligen Kommilitonen vom Studiengang Journalismus und PR an der FH-Joanneum  getroffen. Viele von Ihnen sind mittlerweile gestandene Journalisten und PR-Leute geworden.  Was mich zunächst verwundert hat, ist dass fast alle meiner Freunde und Kollegen, die im Journalismus unterkamen, sehr unglücklich mit ihrer Situation sind. Nicht, dass sie ihren Beruf nicht lieben würden. Im Gegenteil. Was sie frustriert, sind die Produktionsverhältnisse, unter denen Journalismus aktuell stattfindet.

Was die Kollegen am meisten stört, ist die Tatsache, dass sie nicht so können wie sie könnten. Zu sehr sind sie gefangen im Abwärtsstrudel ihrer Medienhäuser. Ein sehr guter Freund fasste es lapidar mit dem Satz zusammen: „Recherche wird halt ned zahlt“.

Wir haben viel darüber diskutiert, wie sich in der heutigen Zeit qualitativ hochwertiger Journalismus machen lässt. Und der ist nötiger denn je. Nach vielen Überlegungen und Anregungen scheint mir, dass das klassische betriebswirtschaftlich und gewinnorientierte Verlagsmodell auf die Dauer nicht mehr zu halten ist, wenn man qualitativ hochwertigen Journalismus produzieren möchte.  Die Frage ist, was an die Stelle der Verlage treten könnte.

Klar ist: Wenn ich im Kontext der Profitorientierung als Medienunternehmen handle, dann ist der Journalist für mich ein Kostenfaktor, der ungünstiger wird, je länger und intensiver er sich mit einem Thema beschäftigt. Weil dann die Anzahl der Artikel, die er je Euro Lohn scheibt sinkt. Also muss man den Profitgedanken herausnehmen. Die Frage ist dann, wie bezahle ich meine Journalisten?

Modell NGO oder Stiftung
Wenn es nicht möglich ist, Qualitätsjournalismus im privatwirtschaftlichen Umfeld zu gestalten, dann gibt es andere Möglichkeiten. Zum Beispiel  eine NGO oder eine Stiftung. Viel Geld bräuchte man auch nicht dafür. Ich habe das mal überschalgsmäßig ausgerechnet. Um etwa 8 Journalisten ein Jahr lang zu versorgen (bei einem Einkommen von 50k brutto inkl. Assistenz und GF) wären etwa 750.000€ nötig. Das ist nicht viel. Die zehn größten Deutschen Stiftungen haben 2010 weit über eine halbe Milliarde € an Geldern bereitgestellt. Da fallen 750.000€ nun wirklich nicht ins Gewicht. Mit 8 guten Journalisten, die frei recherchieren können, kann man eine Menge bewegen. Natürlich würde man sich nicht mit profanen Nachrichten aufhalten.

In den USA gibt es dafür ein gutes Beispiel. Das Recherchenetzwerk Propublica hat einen Jahresetat von rund 10 Mio Euro und wird durch Spenden finanziert. 2010 erhielt Propublica den ersten Pulitzer-Preis und hat damit bewiesen, dass Qualitätsjournalismus sehr wohl außerhalb der Verlagshäuser möglich ist.

So etwas brauchen wir auch für den deutschsprachigen Raum. Die Journalisten sollen Zeit haben, tief in Stories einzutauchen, dafür werden sie ausreichend bezahlt. Wenn eine Story fertig ist, wird sie unter Creative Commons veröffentlicht, so dass auch andere Medien die Story kostenlos aufgreifen können. ProPublica hat dazu zum Beispiel eine Kooperation mit einer Nachrichtenagentur. Auf diese Art würden die Stories ihren Weg zurück in die Öffentlichkeit finden. Außerdem könnte man die Stories auch vorab exklusiv anderen Medien zur freien Nutzung anbieten. Eine Win-Win-Win Situation. Die Journalisten werden Fair bezahlt, die Verlage bekommen hochwertigen Content für Lau und die Öffentlichkeit erhält qualitativ hochwertige Berichterstattung. Eigentlich ist diese Idee zu gut, um sie nicht zu verfolgen.

Bild CC-BY 

 

7 Gedanken zu „Journalismus: Geschäftsmodell Stiftung/NGO

  • 11/01/2012 um 18:08
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    Der Ansatz ist ja nicht so neu; wie du selbst sagst, gibt es dazu ja auch Beispiele aus den USA. Ich fürchte jedoch, dass die Förderung des investigativen oder zumindest recherchelastigen Journalismus auch bei unternehmensnahen Stiftungen mehr in den Bereich Sonntagsreden fällt. Wer möchte denn schon gerne Geld in Recherchen stecken, die dann hinterher womöglich die eigene Branche oder schlimmstenfalls das eigene Unternehmen zum Inhalt haben. Da investiert man doch lieber in Bildungs- oder Gesundheitseinrichtungen oder Stipendien. Das ist dem Image noch förderlicher und birgt weniger Risiken. Ich glaube, dass der Wert des unabhängigen, rechercheorientierten Journalismus in Politik und Gesellschaft zu gering geschätzt wird. Heutzutage finden Verlegerpersönlichkeiten, die Medien machen, um guten Journalismus „zu produzieren“. keine Anerkennung mehr. Statt dessen wird derjenige gewürdigt, der die schwärzesten Zahlen schreibt. Und hier gehört wohl die Einsicht dazu, dass Medien heutzutage einfach keine „Cash-Cows“ mehr sind, weshalb es ja auch zur zunehmenden Diversifizierung der großen Verlage in medienfremde Bereiche kommt. Ich nenne es mal die „Tchiboisierung“ der Medien: schau dir mal an, was ein SZ- oder Zeit-Shop heute alles so bieten. Da werden die Medienmarken genutzt, um Produkte mit einem Image (das seltsamerweise aus früheren Zeiten stammt) aufzuladen.
    Dennoch: interessant wäre es zu erfahren, wie die Amis das eingefädelt haben. Vielleicht ergäben sich daraus ja Ansätze, wie man Stiftungen für den Zweck in Deutschland ansprechen könnte… Bleibt ihr da dran?

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    • 11/11/2012 um 15:38
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      ich persönlich glaube, dass das auf Vitamin-B-Basis funktioniert hat der Mäzen hinter Propublica ist ein Immobilien-Milliardär. Aber vllt. findet sich ja ein reicher Mensch, der das machen will 🙂

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